Wie steht es um die Wettbewerbsgemäßheit entsprechender Ankündigungen?
In den vergangenen Monaten sind mehrere gerichtliche Entscheidungen zum Zuwendungsverbot des § 7 Abs. 1 Heilmittelwerbegesetz ergangen.
Optikernetz.de hat dies zum Anlass genommen, bei der Wettbewerbszentrale in Hamburg, die in fast allen Prozessen als Klägerin beteiligt war oder ist, nachzuhaken.
Rechtsanwältin Sabine Siekmann stand der Optikernetz-Redaktion Rede und Antwort:
Optikernetz.de: Warum ist es unzulässig, beispielsweise zu einer Gleitsichtbrille eine Lesebrille zu verschenken?
Siekmann: Gemäß § 7 Abs. 1 HWG ist es grundsätzlich unzulässig, im Zusammenhang mit dem Absatz von Medizinprodukten, zu denen Brillen unstreitig gehören, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren. Diesen Tatbestand hat der Bundesgerichtshof (BGH) als erfüllt angesehen, als er vor einem Jahr die konkrete Zweitbrillen-Werbung eines Optikers in einem von der Wettbewerbszentrale initiierten Verfahren untersagt hat. Der BGH hat in diesem Zusammenhang klar gestellt, dass Erst- und Zweitbrille, die unabhängig voneinander genutzt werden können, keine funktionale Einheit bilden, und in der kostenlos abgegebenen Zweitbrille deshalb eine Werbegabe im Sinne des § 7 Abs. 1 HWG zu sehen ist. Ein zulässiger Mengenrabatt lag im konkreten Fall nicht vor, weil es sich bei den beiden Brillen nicht um Waren in identischer Qualität und daher nicht um gleiche Waren im Sinne der Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2b HWG gehandelt hat.
Optikernetz.de: Dürfen Augenoptiker mit geschenkten Brillenbestandteilen, etwa einem „Gratis-Glas“ oder einer „geschenkten“ Fassung werben? Siekmann: Diese Frage ist noch nicht abschließend geklärt. Die Gerichte scheinen in einer solchen Werbung – zumindest in den bisher entschiedenen Fällen – eher keinen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 HWG zu sehen, so aktuell Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Urteil vom 06.08.2015 (Az. I-4 U 137/14 – nicht rechtskräftig); Landgericht (LG) Köln, Urteil vom 29.09.2015 (Az. 33 O 29/15) sowie LG München I, Urteil vom 22.10.2015 (Az. 12 O 1496/15 – nicht rechtskräftig). In allen drei Verfahren haben die Richter angenommen, dass die komplette Brille trotz der hervorgehobenen Bewerbung einzelner Brillenbestandteile als „gratis“ oder „geschenkt“ eine funktionale Einheit bildet und dass daher in dem geschenkten Brillenbestandteil keine Zuwendung gemäß § 7 Abs. 1 HWG gesehen werden kann.
Optikernetz.de: Muss man bei der Werbeaussage auf etwas achten, damit deutlich wird, dass es sich nicht um eine Zuwendung handelt? Siekmann: Fest gemacht haben die Gerichte ihre Bewertung an ergänzenden Erläuterungen wie „gültig beim Kauf einer kompletten Brille mit …-Gläsern …“ oder „Sie sparen also 50% des Glaspreises“, durch die zum Ausdruck gebracht werde, dass die komplette Brille zu bezahlen und dass der „geschenkte“ Brillenbestandteil im Grunde nichts anderes sei als ein zulässiger Rabatt (§ 7 Abs. 1 S.1 Nr. 2a HWG).
In allen drei Fällen haben die Richter außerdem festgestellt, dass ihres Erachtens keine unzulässige geschäftliche Handlung vorliegt, wenn eine Ware als „gratis“, „umsonst“, „kostenfrei“ oder dergleichen angeboten wird, auch wenn hierfür gleichwohl Kosten zu tragen sind. Dazu haben das OLG Hamm und das LG München I im Hinblick auf das Gratis-Glas übereinstimmend ausgeführt, dass für den Verbraucher hinreichend deutlich werde, dass er die komplette Brille bezahlen müsse.
Optikernetz.de: Wie steht die Wettbewerbszentrale insbesondere zu der letzten Einschätzung der Gerichte?
Siekmann: Die Wettbewerbszentrale hält diese Beurteilung zumindest hinsichtlich des speziellen Irreführungstatbestandes der Nr. 21 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG für problematisch. Denn es handelt sich bei dieser Vorgabe um ein per-se-Verbot, das keinerlei Wertungsmöglichkeit zulässt. Deshalb hat sie im Hinblick auf die Entscheidung des OLG Hamm Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH eingelegt.
Zusammenfassung und Folgen für die Praxis: Die „geschenkte“ Zweitbrille ist seit der BGH-Entscheidung aus dem Jahr 2014 in der Werbung eigentlich kaum noch ein Thema. Zulässig ist aber auf jeden Fall das Angebot zweier Brillen zum Paket- bzw. Komplettpreis. Was die Werbung mit der Gratis-Abgabe einzelner Brillenbestandteile anbelangt, so steht § 7 Abs. 1 HWG einer solchen eher nicht entgegen, wenn insgesamt deutlich wird, dass es sich um das Angebot einer kompletten Brille handelt, auf die im Grunde nur ein zulässiger Preisnachlass gewährt wird. Wann dies der Fall ist, ist schwierig zu beurteilen und eine Frage des Einzelfalls. Die Wettbewerbszentrale versucht aber, dies sowie die Frage nach der Anwendbarkeit der Nr. 21 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG in dem Verfahren vor dem BGH zu klären.
Sollten Sie eine entsprechende Werbung planen, reichen Sie den Entwurf zur Vorabbeurteilung bei Ihrer Innung ein. Die dort tätigen Juristen geben Ihnen gern rechtliche Hinweise.