Ein aktueller arbeitsrechtlicher Fall sorgte kürzlich bei einem Betriebsinhaber für Ärger, da er seinem gekündigten Mitarbeiter mehr Urlaubsabgeltung zahlen musste als ursprünglich geplant.
Der Fall:
Der Arbeitgeber hatte dem langjährigen Mitarbeiter fristwahrend zum Ablauf des 30.06., einem Mittwoch, das Arbeitsverhältnis gekündigt. Weil sich andere Mitarbeiter noch im Urlaub befanden, fragte der Arbeitgeber den Mitarbeiter, ob dieser noch ein paar Tage länger, bis zum darauffolgenden Samstag, bei ihm weiterarbeiten würde, was der Mitarbeiter auch bejahte. Einvernehmlich sollte das Arbeitsverhältnis also bis zum 02.07. fortgeführt werden.
In der letzten Gehaltsabrechnung erhielt der Mitarbeiter eine Urlaubsabgeltung nach folgender Rechnung:
Gesetzlicher Urlaubsanspruch 2010 = 24 Tage
Davon 6/12 = 12 Tage
Davon genommene Urlaubstage = 6 Tage
= Anspruch auf Urlaubsabgeltung für 6 Tage
Der ehemalige Geselle monierte die Abrechnung und machte seinem Ex-Arbeitgeber eine andere Rechnung auf:
Urlaubsanspruch bis 2.7. = 24 Tage
Davon genommene Urlaubstage = 6 Tage
= Anspruch auf Urlaubsabgeltung für 18 Tage
Und der ehemalige Mitarbeiter hatte richtig gerechnet!!
Die Lösung:
"Schuld" daran ist § 5 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Die Entstehung des Erholungsurlaubsanspruchs wird in dieser Vorschrift mit einer Kombination aus Anteilsprinzip und Stichtagsprinzip geregelt.
So hat der Arbeitnehmer nach § 5 BUrlG einen Anspruch auf Teilurlaub in Höhe von einem Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses, wenn er nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahrs aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Scheidet er dagegen in der zweiten Hälfte aus, so kann selbst ein Tarifvertrag eine Zwölftelung nicht vorschreiben, soweit dadurch der gesetzliche Mindesturlaub unterschritten wird.
Wäre der Arbeitnehmer pünktlich zum 30.06.2010 ausgeschieden, also am letzten Tag der ersten Jahreshälfte, hätte er für das Jahr seines Austritts nur einen Teilurlaubsanspruch. Der Teilurlaub beträgt wiederum gemäß § 5 Abs. 1 BUrlG 1/12 des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Für diesen Fall wäre die Berechnung des Arbeitgebers korrekt gewesen.
Exkurs (tariflicher Urlaub nach Manteltarifvertrag Augenoptikerhandwerk vom 01.04.2001, § 10 Ziff. 3):
Was geschieht eigentlich, wenn der Beschäftigte durch Tarifvertragsregelung einen höheren Jahresurlaub hat als den gesetzlichen Mindesturlaub von 24 Tagen? Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat im Hinblick auf die Urlaubsdauer bei Ausscheiden in der 2. Jahreshälfte eine Trennung zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und Tarifurlaub vorgenommen. Diese Rechtspraxis geht wiederum auf eine BAG-Entscheidung zurück, wonach die Tarifvertragspartner zwar eine Zwölftelung bei Ausscheiden in der 2. Jahreshälfte vereinbaren können, diese aber nur den Tarifurlaub erfassen darf, nicht den gesetzlichen Mindesturlaub (BAG, Urteil v. 24.3.1992 – 9 AZR 7/91).
Scheidet der Mitarbeiter nach erfüllter Wartezeit in der 2. Jahreshälfte aus, besteht zumindest der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub von 24 Werktagen. Soweit dann darüber hinaus noch tariflicher Urlaub zusteht, darf dieser gezwölftelt werden. Scheidet der Betreffende z.B. am 31.8. aus, erhält er die 24 Werktage Mindesturlaub plus die Urlaubstage anteilig aus der Zwölftelung das Tarifurlaubs, hier acht Zwölftel.