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„Mythos Blaulichtschaden“ – das sagt die Industrie Teil 2

Ist blaues Licht schädlich für die Augen? Sind Blaufiltergläser sinnvoll? Laut der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft…
8. Oktober 2021

Ist blaues Licht schädlich für die Augen? Sind Blaufiltergläser sinnvoll? Laut der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft sagen Experten „Nein“ (optikernetz berichtete). In einer Vorabmeldung zum diesjährigen DOG-Kongress titelt die Fachgesellschaft: „Mythos Blaulichtschaden“. Was bedeutet das für die Augenoptik?

„Filter für Smartphones, Computerbrillen für Kinder, Kontaktlinsen für PC-Arbeit: Viele Produkte werben mit dem Schutz vor Blaulicht, das von Bildschirmen und Handydisplays ausgeht. Doch ist blaues Licht wirklich schädlich für unsere Augen, beeinträchtigt es den Schlaf? Nein, sagen Experten der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG)“, so die Einleitung der Meldung. Was bedeutet das für die Augenoptik? Haben Bildschirmbrillen und Blaufilter keine Berechtigung? Müssen sich Augenoptiker nun mal wieder dem Vorwurf der Geldmacherei stellen? Wir möchten die Schlussfolgerungen der von der DOG angeführten Studien, ihre Bedeutung für die Augenoptik näher beleuchten.

Die Meldung der DOG zum Nachlesen: PM-DOG-2021-Mythos-Blaulichtschaden-September-2021

Reaktionen aus Forschung und Industrie

Optikernetz bat Experten aus Forschung und Industrie um eine Einordnung. Im letzten Teil der Artikelserie lasen Sie eine Einschätzung des Brillenglasherstellers Visall. In dieser Folge gibt ein weiterer großer Glashersteller einen Kommentar zur Thematik Bluelight ab.

Das sagt Brillenglashersteller ZEISS:

"Wie blaues, energiereiches Licht auf Augengesundheit, Sehen und Wohlbefinden wirkt, ist ein seit Jahren zunehmend intensiv diskutiertes Thema. ZEISS Vision Care als Brillenglashersteller beschäftigt es ganz direkt.

Die wissenschaftlichen Grundlagen zu blauem Licht und dessen Einfluss auf den menschlichen Sehapparat liegen bereits mehrere Dekaden zurück. Vor ca. 20 Jahren wurde darüber hinaus verstanden, wie blaues Licht über spezielle Photorezeptoren (ipRNG) die Regelung unseres menschlichen zirkadianen Systems und damit den Wach-Schlaf-Rhythmus beeinflusst.

Relevant für diese Diskussion zum jetzigen Zeitpunkt sind zwei Fakten:

Zum einen die Digitalisierung und zunehmende Verfügbarkeit ständiger Informationen überall und jederzeit durch mobile Geräte. Dies hat zu einem gefühlten, mittlerweile aber auch wissenschaftlich belegten Wandel unseres Lebensstils geführt.

Zum anderen hat die LED-basierte Lichttechnik zunehmend Einzug gehalten in unser Leben, von morgens bis in die späte Nacht. Durch die überall verfügbaren Displays, aber auch Beleuchtung in Gebäuden, an Fahrzeugen etc., sind wird in viel stärkerem Maße als je zuvor den relativ viel blaues Licht enthaltenen künstlichen LED-basierten Lichtquellen ausgesetzt.

Beides bleibt nicht ohne Einfluss auf Sehen, Augengesundheit und Wohlbefinden.

ZEISS setzt hier sehr stark auf eine differenzierte Betrachtung dieser verschiedenen und auch separat zu betrachtenden Effekte. Wir unterscheiden dabei zwischen

  • möglichen Gesundheitsrisiken durch Exposition blauen Lichts hoher Intensität, das der Sonne entstammt und tagsüber im Außenbereich relevant ist,
  • möglichen Einschränkungen des Sehkomforts und Sehstress, die mit intensiver Monitor- und Displaynutzung sowie LED-Lichtquellen in Verbindung stehen und hauptsächlich im Innenbereich oder auch beim nächtlichen Autofahren relevant zu sein scheinen sowie
  • der Beeinflussung unseres zirkadianen Systems (Wach-Schlaf-Zyklus) durch zeitlich ungünstige Blaulichtexposition in einem sehr speziellen blauen Spektralbereich.

ZEISS orientiert sich dabei einerseits an dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik. Und wo es notwendig erscheint, gehen wir auch mit kompletten Produktumstellungen voran – wie z.B. bei der Einführung eines vollständigen UV-Schutzes bis zu 400 nm in klaren ZEISS Kunststoff-Brillengläsern vor drei Jahren. Andererseits erheben wir selbst Daten und gewinnen Erkenntnisse durch eigene Studien, Tests und Verbraucherbefragungen.

Zusammenfassend können wir Folgendes feststellen:

  • Schutz vor intensivem Sonnenlicht sollte neben dem vollständigen UV-Schutz auch eine Reduktion des kurzwelligen blauen Spektralbereiches enthalten. Hier sind moderne Blaufiltergläser eine klare Empfehlung.
  • Blaufiltergläser zur Verbesserung oder Erhalt des Sehkomforts, insbesondere in Verbindung mit künstlichen Lichtquellen, sind eine Option für betroffene oder besorgte Brillenträger. Es ist dabei ratsam, solche Gläser für sich selbst auszuprobieren und auf das eigene Empfinden zu achten. Eine Gefährdung der Augen im Sinne degenerativer chronischer oder gar akuter Schäden durch sachgemäße Nutzung von Displays etc. können wir nach heutigem Stand nicht erkennen. Derartige Aussagen im Markt sind von unserer Seite daher nicht nachvollziehbar.
  • Störungen von Schlafqualität in Verbindung mit spätabendlicher Blaulicht-Exposition z.B. durch Handy-Nutzung wird zunehmend in wissenschaftlichen Studien (Stichwort ALAN Artifical Light At Night) belegt. Allerdings ist festzuhalten, dass die typischen Blaufiltergläser aller namhaften Brillenglashersteller in dem dafür relevanten Spektralbereich von ca. 470-490 nm keinerlei Transmissionsunterschiede zu herkömmlichen Brillengläsern ohne Blaufilter haben. So wenig ein nachweisbarer Effekt durch Software-Apps verschiedener Hersteller von Smartphones, Tablets, Monitoren etc. zu erwarten ist, (was auch in Studien zu dem Thema gezeigt wurde), so wenig positiven oder negativen Einfluss haben aktuelle Blaufiltergläser darauf. Diese Gläser reduzieren kurzwelligeres blaues Licht für die beiden oben genannten anderen Effekte. Mögliche zukünftige Brillengläser mit Fokus auf das zirkadiane System müssten eine technisch unterschiedliche Eigenschaft der zu filternden Spektralbereiche im Vergleich zu derzeitigen Blaulichtfiltergläsern aufweisen.

In Summe setzen wir besonders auf zwei Dinge: erstens, dass Verbraucherinnen und Verbraucher die Wahl zwischen Brillengläsern mit und ohne blaulichtreduzierende Eigenschaften haben. Dafür ist eine differenzierte Information im Fachgeschäft und online notwendig, damit Verbraucher ihre Wahl informiert treffen können.

Zweitens müssen Forschung und Entwicklung weitergehen – in universitären und außer-universitären Forschungseinrichtungen wie in der Industrie, um unsere Erkenntnisse zu blauem Licht und seinem Einfluss auf uns zu vertiefen, Evidenzen zu validieren oder zu falsifizieren und entsprechendes Wissen in künftigen Produktentwicklungen zu berücksichtigen.

Eine Einflussnahme blauen Lichtes auf unsere Gesundheit, Wohlbefinden und auch den Sehkomfort zu verneinen, wäre ebenso falsch, wie in künstlichen Blaulichtquellen wie LEDs oder Displays eine akute Gefahr für die Gesundheit zu sehen.

Referenzen

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