Neue Algorithmen sollen Ärzten in Zukunft die Diagnose erleichtern.
In der modernen Augenheilkunde stehen Ärzte mitunter vor einem Problem: Aus einer Flut an Informationen, die durch verschiedene Untersuchungsmöglichkeiten zustande kommt, müssen die essenziellen Daten für die Diagnose herausgeholt werden. Ein Mathematiker will nun helfen, den Blick auf das Wesentliche zu lenken. Ein mit 1,5 Millionen Euro dotiertes Projekt des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) soll Augenärzten in Zukunft das Leben erleichtern. Es sollen Algorithmen entwickelt werden, die helfen, Erkrankungen der Netzhaut früher zu erkennen und Veränderungen im Auge besser zu quantifizieren. Dazu soll aus der Menge der Untersuchungsbilder eine Art synthetisches Bild erzeugt werden. Dieses soll alle diagnoserelevanten Merkmale deutlich zur Geltung bringen und so dem Arzt auf den ersten Blick Klarheit verschaffen. Die Bilder stammen dabei von verschiedensten Untersuchungsmethoden. Manche nehmen das vom Auge reflektierte Licht auf, andere bringen die Netzhaut mittels Autofluoreszenz zum Leuchten. Bei einer dritten Methode, der optischen Kohärenztomografie (OCT), wird das Auge nicht frontal betrachtet. Stattdessen wird ein Querschnitt der Netzhaut in vielen nebeneinanderliegenden Schichten aufgenommen. Nun werden aber nicht in allen dieser Bilder krankheitsrelevante Merkmale gleichermaßen gut erkannt. Manche Erkrankungen kann man mit einer einzigen dieser Methoden vielleicht gar nicht diagnostizieren, sondern erst in der Gesamtheit der Aufnahmen. Hier setzt nun die Mathematik an. Aus der komplizierten Menge der Bilder soll etwas Einfaches gemacht werden, in diesem Fall das synthetische Pseudobild. Die einzelnen Bilder werden dafür in elementare Bausteine zerlegt. Damit sind aber nicht etwa Pixel gemeint, sondern Bildstrukturen. Die Zusammensetzung des Pseudobilds findet dann auf Basis dieser Bausteine statt, die geeignet modifiziert werden. Dazu muss erkannt werden, welche davon für die Diagnose wichtig sind und welche nicht. Ein anderes Ziel des Projekts ist die Quantifizierung von Symptomen im Auge. Medizinische Studien laufen so ab, dass Unikliniken aus aller Welt ihre Aufnahmen an das VRC schicken. Dort vermessen sogenannte Grader, also Beurteiler, auf ihren Bildschirmen mehr oder weniger händisch die relevanten Strukturen, und tragen ihre Messungen in einen Fragenkatalog ein. Dieser Prozess soll automatisiert werden. "Es geht dabei auch darum, die Methode objektiver zu machen", erklärt der Mathematiker. "Wenn zwei verschiedene Grader dasselbe Bild beurteilen, dann stimmen die Ergebnisse nicht notwendigerweise überein. Ein Programm ist objektiv, und die Ergebnisse sind reproduzierbar." Diese Objektivität bringt natürlich auch eine bessere Vergleichbarkeit. Kommt der Patient zur Nachuntersuchung wieder, kann man verfolgen, wie sich das Auge verändert hat. Großes Potenzial sieht der Mathematiker vor allem für die Früherkennung. "Wenn man merkt, dass sich kleine Veränderungen immer zu einer bestimmten Krankheit entwickeln, kann man früher therapieren."
Mathematiker will Erkrankungen der Netzhaut besser erkennbar machen
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