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Gefährliche Stoffe in Antibeschlagmitteln für Brillengläser? Teil 1

Der erste Winter ist für jeden Neu-Brillenträger sicherlich – sagen wir mal – schwierig. Temperaturunterschiede führen innerhalb…
22. Januar 2021

Der erste Winter ist für jeden Neu-Brillenträger sicherlich – sagen wir mal – schwierig. Temperaturunterschiede führen innerhalb eines Wimpernschlags dazu, dass man im Nebel steht. Ja, jeder Brillenträger kennt das: beschlagene Brillengläser. Und das Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen macht das Ganze leider nicht besser. Glücklich da, wer ein Antibeschlagmittel für seine Brillengläser hat – oder nicht?

Damit Antibeschlagmittel feuchtigkeitsabweisend wirken, würden darin teilweise schädliche PFAS (Per- und Polyfluoralkyl-Substanzen) verwendet, so heißt es in einer Pressemeldung der Verbraucherzentrale NRW vom 28. Dezember 2020. Diese Substanzen fänden sich auch in einigen Imprägniersprays und teilweise in wetterfester Outdoor-Kleidung. PFAS verbreiten sich durch ihre Nutzung in der Umwelt – wo sie kaum abbaubar seien, heißt es in der Meldung weiter.

Solche Meldungen alarmieren und werfen Fragen auf. Aus diesem Grund haben wir einmal bei der Verbraucherzentrale nachgefragt. Dr. Kerstin Effers, Referentin Umwelt und Gesundheitsschutz, stand uns Rede und Antwort und erklärte, was es mit diesen Stoffen auf sich hat.

Optikernetz: Was sind das für Stoffe in Antibeschlagmitteln, die Ihre Aufmerksamkeit erregt haben?

Effers: Sogenannte PFAS (Per- oder Polyfluoralkylsubstanzen). Daneben noch Konservierungsmittel: MIT CMIT (Isothiazolinone) und IPBC, Glutaral.

Optikernetz: Wofür werden diese Stoffe noch verwendet bzw. welche Eigenschaften haben sie?

Effers: PFAS sind wasser- und fettabweisend, sie werden z.B. auch in Imprägniermitteln, Antifleckbeschichtungen und Löschschäumen eingesetzt. MIT, CMIT (Isothiazolinone) wirken konservierend. Sie werden auch in Haushaltsreinigern, Flüssigwaschmitteln, Farben und Lacken eingesetzt. In leave-on Kosmetik sind sie dagegen verboten, weil sie Kontaktallergien hervorrufen können. IPBC (Iodopropinylbutylcarbamat), eine halogenorganische Substanz, ist ebenfalls ein Konservierungsmittel und wird auch als Holzschutzmittel eingesetzt. Glutaral wird zur Desinfektion und Konservierung genutzt und kann schwerwiegende Augen-, Nasen-, Hals- und Lungenreizungen, Kopfschmerzen und Schwindel verursachen.

Optikernetz: Warum sind diese Stoffe außerdem besorgniserregend?

Effers: PFAS werden auch als „Forever Chemicals“ bezeichnet, weil sie nicht abgebaut werden und langfristig in der Umwelt bleiben, wenn sie einmal freigesetzt sind. Es handelt sich um eine Gruppe von über 4.700 chemischen Verbindungen. Wegen der Gesundheits- und Umweltgefahren durch PFAS wird gerade zum ersten Mal in der Geschichte der europäischen Chemikaliengesetzgebung ein Verbot einer ganzen Stoffklasse geplant.

Optikernetz: Wie gelangen sie in die Umwelt und können sie sich auch im Menschen anreichern?

Effers: PFAS können beispielsweise über Luft oder Wasser in die Umwelt gelangen. Von einigen dieser Substanzen ist bekannt, dass sie sich im Körper anreichern können und dass sie das Hormon- und Immunsystem schädigen oder Krebs erzeugen. Es sind aber nicht alle über 4.700 Substanzen (ausreichend) toxikologisch bewertet.

Optikernetz: Konkret zu den Antibeschlagmitteln: Welche Gefahren sehen Sie hier für die Nutzer?

Effers: Hier verweise ich auf die Einstufung der Substanzen der ECHA*. Die Konzentrationen in den jeweiligen Mitteln sind mir nicht bekannt. Sprühanwendungen sind bei PFAS-haltigen Mitteln wegen der Gefahr des Einatmens gesundheitlich besonders bedenklich. Bei Mitteln, die allergieauslösende Konservierungsstoffe enthalten, könnten bei Hautkontakt, z.B. zwischen Brillengestell und Gesicht, Kontaktallergien hervorgerufen oder ausgelöst werden.

Tetrafluoropropanol: https://echa.europa.eu/de/substance-information/-/substanceinfo/100.000.869

Polyperfluoromethylisopropyl Ether: https://echa.europa.eu/de/substance-information/-/substanceinfo/100.132.538

Perfluoroalkyether: https://echa.europa.eu/de/substance-information/-/substanceinfo/100.133.525

Glutaral: https://echa.europa.eu/de/substance-information/-/substanceinfo/100.003.506

CMI/MI: https://echa.europa.eu/de/substance-information/-/substanceinfo/100.108.036

Optikernetz: Dürfen diese Stoffe überhaupt verwendet werden, wenn sie so gefährlich sind?

Effers: Bisher schon. Hoffentlich ändert das sich für PFAS bald mit Hilfe der EU Chemicals Strategy, Weitere Informationen dazu findet man unter: https://ec.europa.eu/environment/pdf/chemicals/2020/10/SWD_PFAS.pdf

Optikernetz:  Was könnten Augenoptiker*innen tun, wie könnten sie mit Kundenanfragen umgehen?

Effers: Augenoptiker*innen sollten nur Produkte verkaufen, zu denen Ihnen eine vollständige Liste aller Inhaltsstoffe vorgelegt wird. Produkte, die PFAS enthalten, sollten nicht an Verbraucher*innen abgegeben werden. Augenoptiker*innen sollten Verbraucher*innen über die Inhaltsstoffe informieren und ggf. nach (Kontakt-)allergien fragen.

Optikernetz: Vielen Dank für das Interview!

Die Ausführungen der Verbraucherzentrale leiteten wir mit Einverständnis der VZ NRW an Dr. Andreas Berke, Schulleiter der HFAK, weiter mit der Bitte um eine Einschätzung von Seiten „der Augenoptik“. Sein Statement lesen Sie in der kommenden Woche auf optikernetz.de.

*Europäische Chemikalienagentur

Quelle: optikernetz.de

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